Einladung zum Perspektivenwechsel

„Die Umstellung war ganz einfach.“

„Die Kommunikation hat gar nicht funktioniert.“

„Ich hatte plötzlich viel mehr zu tun.“

„Es war sehr schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen.“

„Mir ist manchmal die Decke auf den Kopf gefallen.“

„Die Arbeitsorganisation war nach Anfangsschwierigkeiten einfach.“

„Wir haben uns auf notwendige Meetings beschränkt.“

„Wichtige Informationen haben mir oft gefehlt.“

Alle diese Äußerungen habe ich in den letzten Monaten gehört. Wie Sie wahrscheinlich – zurecht – vermuten, sind sie im Zusammenhang mit Corona gefallen. Diese Pandemie hat unser aller Leben durcheinandergewirbelt  – in beruflicher wie in privater Hinsicht.

Wir waren Einschränkungen in unserem Alltag unterworfen, wie wir sie in unserem Leben noch nicht erfahren haben (maximal in Erzählungen von vergangenen Zeiten oder fernen Orten gehört) und mussten unser Verhalten im Alltag stark umstellen. Die zukünftige diesbezügliche Entwicklung ist noch nicht abzusehen.

Auch wenn wir als Gesellschaft langsam wieder zur „Normalität“ zurückkehren (mehr oder weniger freudig, besorgt, kritisch), hat Corona einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wir haben erfahren, wie schnell das Leben ganzer Nationen „aus den Fugen geraten“ kann, wie verwundbar wir sind, aber auch wie anpassungsfähig.

Gerade auch im Berufsleben haben wir in den letzten Monaten Änderungen erlebt, die so (in der Art und/oder der Geschwindigkeit) nicht vorstellbar waren. Einiges davon (seien das Erkenntnisse, Strategien oder Arbeitsweisen) wird – zumindest bis zu einem gewissen Grad – auch in Zukunft so bleiben. Die Auseinandersetzung mit Veränderungen und Veränderungsprozessen ist also vielfach drängender als bisher, weshalb ich das Thema hier aufgreife.

Warum werden Veränderungen oft als schwierig oder störend empfunden?

Wie wir Dinge erleben oder tun, hängt stark von unserer jeweiligen Sichtweise und unserem persönlichen Empfinden ab. Maßstäbe, nach denen wir bewerten, setzen wir selbst. Entweder übernehmen wir sie von anderen oder bilden sie im Lauf unseres Lebens aus und entwickeln so unsere Einstellungen zu Situationen und Verhaltensweisen.

Verfestigte Sichtweisen und/oder Verhaltensweisen werden zu Routinen – und diese erleichtern uns den Alltag. Veränderungen wiederum veranlassen uns dazu, diese Routinen zu hinterfragen. Je abrupter die Veränderung, desto größer der „Angriff“ auf die stabilisierende Routine.

Viele Umstrukturierungen in Unternehmen wären leichter umzusetzen, wenn dieses Wissen im Umstrukturierungsprozess beachtet würde. Dass erfolgreiche Prozesse sicherstellen, dass sie „gelebt“ werden können, habe ich in einem anderen Mindsnack bereits thematisiert (mehr dazu hier). Neben einer theoretischen Effizienzprüfung ist also wichtig, die Erfahrungen und Möglichkeiten der Menschen zu berücksichtigen, die Strategien / Veränderungen umsetzen. Dabei gilt: „Um Veränderungen mittragen zu können, ist es wichtig, diese zu verstehen.“ Verständnis wird dadurch erzeugt und gestärkt, dass man die Position und Handlungsweise des Anderen nachvollziehen, verstehen kann (ohne im ersten Schritt damit einverstanden sein zu müssen). Daher diese Einladung zum Perspektivenwechsel.

Die Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, dazu, Beweggründe und Handlungen von anderen zu verstehen, ist auf allen Ebenen wichtig. Voraussetzung dafür sind ausreichende Informationen. Daher ist die Möglichkeit zum Perspektivenwechsel auf verschiedenen Hierarchieebenen in Unternehmen unterschiedlich gegeben. Führungskräfte haben in vielen Situationen mehr Informationen als ihre MitarbeiterInnen, da sie – oft weitreichende – Entscheidungen treffen müssen.

Auch ich habe als Führungskraft erfahren, dass MitarbeiterInnen Entscheidungen leichter mittragen, wenn sie sie nachvollziehen können. Wichtig ist also möglichst große Transparenz. Das „Was“ im Geschäftsleben ist oft vorgegeben – durch die Marktsituation, die Unternehmenssituation, oder Eigentümerentscheidungen. „Was“ eine Führungskraft transportieren muss, kann sie oft nicht bestimmen. Sehr wohl bestimmen aber kann sie das „Wie“ – wie sie Entscheidungen oder Vorgaben kommuniziert. Idealerweise so, dass sie nachvollziehbar sind.

Und für dieses „Wie“ kann ein Perspektivenwechsel, das Betrachten der Situation aus Sicht der MitarbeiterInnen, ein entscheidender Anhaltspunkt sein. Je besser eine Führungskraft sich in ihre MitarbeiterInnen versetzen kann, desto plausibler kann sie ihnen Entscheidungen nahebringen und sich ihrer aktiven Mitarbeit versichern.

Wie eine geänderte Perspektive unser Bild verändern kann:

Was sehen Sie hier?

Holzstück, das in der Wiese steht

Ein Stück Holz, das auf einer Wiese steht…

Und aus einer anderen Perspektive betrachtet?

Holzstück in der Wiese, geschnitzte linke Gesichtshälfte

Eine Stück Holz, das auf einer Wiese steht und das eine geschnitzte Gesichtshälfte zeigt…

Tatsächlich haben wir eine Holzschnitzerei vor uns, die auf einer Seite eine voll ausgeprägte Gesichtshälfte zeigt, während die zweite nur angedeutet ist. Das große Ganze ergibt sich also, wenn beide Perspektiven zu einem Bild zusammengefügt werden.

Holzschnitzerei mit ausgearbeiteter linker Gesichtshälfte, die rechte ist angedeutet

Erfolgreiche Veränderungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie von allen Beteiligten mitgetragen werden. Hilfreich dabei ist, bereits in der Planung unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen, um die Nachvollziehbarkeit und Lebbarkeit zu sichern.