Geduld vs Aussitzen
Wer kennt diese Situationen?:
- Der Job passt nicht mehr so richtig. Der Biss fehlt, oder man fühlt sich im Team nicht mehr so richtig wohl…
- Mit den MitarbeiterInnen läuft es nicht mehr so richtig. Die Leistung passt nicht, und da ist das Gefühl, nicht mehr zu ihnen durchzukommen; anstatt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, kommen mehr und mehr Spannungen im Team auf…
Was ist zu tun? Gibt es überhaupt die eine Antwort auf solche Situationen? Welche Alternativen fallen uns da schnell ein? Das bekannte „Change it or Leave it?“
Ist es so einfach? Was heißt das überhaupt? Pack es an, ändere deine Situation – oder verlasse die Situation?
Tatsächlich ist das nicht immer eine einfache Entscheidung. Vor allem, weil das „Gehen“ ohne valide Job-Alternative etwas ist, das sich nicht alle leisten können. Wenn es eine Familie zu erhalten gilt oder kein ausreichender finanzieller Polster da ist, der es einem erlauben würde, auch eine Durststrecke zu überstehen, ist „Hinschmeißen“ oftmals keine Option.
Und das „Ändern?“ Wenn man wüsste, wie man sich selbst oder andere ausreichend motiviert, welche „Karotte“ man sich – und anderen – vor die Nase hängen soll (die gesteckten Ziele), dann wäre man ja wohl nicht in diese Situation der Unzufriedenheit geraten, würde man nicht quasi im Morast feststecken – Stehenbleiben nicht ratsam, weil man weiter einsinkt; jeder Schritt – egal in welche Richtung – aber auch mühsam, immer in Gefahr, dabei auch weiter einzusinken…
Ein unrealistisches Bild?
Oder ganz im Gegenteil eine Situation, die im Berufsalltag gar nicht so selten vorkommt?
Die einem selbst passieren kann, oder eine Situation, die man an jemand anderem beobachtet. Dabei können natürlich die Eigenwahrnehmung und die Fremdwahrnehmung eine unterschiedliche sein. Die Fragen, ob und was zu tun ist, stellen sich in beiden Fällen. Weder für einen selbst noch für einen anderen ist die Beurteilung der genannten Optionen eine klare, einfache Sache.
Daher möchte ich noch eine Alternative ins Rennen schicken – das Innehalten und Überlegen (Abwarten) – bevor man eine vorschnelle, unbedachte Entscheidung trifft.
Ob man das mit sich alleine ausmacht oder mithilfe einer professionellen Unterstützung (zB in einem Coaching), hängt von der eigenen Persönlichkeit, der Reflexionsfähigkeit und den Ressourcen ab, die einem dazu zur Verfügung stehen. Damit kann man auch die Zeit für einen arbeiten lassen. Manchmal braucht es ein bisschen, damit eine Entscheidung reifen kann, oder um eine passende Strategie zu entwickeln.
Damit bin ich bei dem Begriffspaar „Geduld vs Aussitzen.“ Beide Wörter können für so eine Zeit des Abwartens verwendet werden, doch wecken sie völlig andere Assoziationen:
„Aussitzen“ sehe ich als eine passive Haltung, in der man eher Passagier dessen ist, was andere vorgeben. Hinsichtlich der Unzufriedenheit mit seinem Job kann das bloße Aussitzen einer unlustigen Situation dazu führen, dass einem die Entscheidung über den Verbleib abgenommen wird – also entweder man stumpft so ab, dass es einen nicht stört, oder aber die Vorgesetzten ziehen die Konsequenzen und man trennt sich. Damit hat man wohl nicht viel gelernt, kann auch keine positiven Effekte für die Zukunft mitnehmen. Das ist also keine empfehlenswerte Option.
Wodurch unterscheidet sich davon die „Geduld?“ Auch das heißt „abwarten.“ In meinem Verständnis ist der große Unterschied die Bewusstheit. Bin ich geduldig, bin ich mir bewusst, was passiert, bin ich aufmerksam, erkenne Chancen und bleibe motiviert. Geduld bewahrt vor vorschnellen Aktionen und ermöglicht das Entwickeln von Strategien, die erfolgversprechend sind. Man bleibt aktiv und nach vorne gerichtet.
Fazit:
„Aussitzen“ heißt die Kontrolle über eine Situation abgeben und vermindert somit die eigene Handlungsfähigkeit.
„Geduld“ ist eine Form des aktiven Abwägens einer Situation, unter Beibehaltung eines großen Handlungsspielraums, weil man dabei aktiv die Entscheidung trifft, ob, wann und was zu tun ist.
Die Frühlingsboten haben geduldig in der Erde gewartet, bis der Schnee geschmolzen ist und die Temperaturen warm genug sind, damit sie sich in aller Pracht entwickeln und die erwachende Natur mit Farbe erfüllen können…